Google+ Julias Buchblog: Pierre Bayard - Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat

Donnerstag, 1. November 2012

Pierre Bayard - Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat

Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat
Pierre Bayard
ISBN 9783888974861

Bücher sind beliebte Gesprächsthemen, bestens geeignet für Smalltalk. Dabei birgt eine solche Unterhaltung einige Risiken. Da wird über den neusten Skandalroman diskutiert, obwohl auf Nachfrage eigentlich niemand zugeben will, ihn gelesen zu haben, oder die Wahl des Literaturnobelpreises debattiert, obwohl man bis vor Kurzem nicht mal den Namen des Preisträgers kannte. Und oft gibt man zu einem Buch ein Urteil ab, obwohl man sich nur mal darin geblättert hat. Dumm nur, wenn sich dann das Gegenüber als Fan des eben abqualifizierten Werk entpuppt und eine detaillierte Begründung will. Um genau solche Situationen mit Bravour zu meistern, hat Pierre Bayard dieses Buch geschrieben. Dabei nimmt er dem Leser als Erstes das schlechte Gewissen, denn er unterscheidet vier Arten des Nicht-Lesens: Bücher, die man nicht kennt; Bücher, die man quergelesen hat; Bücher, die man vom Hörensagen kennt; und Bücher, die man gelesen, aber wieder vergessen hat. Wenn man nämlich ehrlich ist, ist man mit vielen Büchern, die man mal gelesen hat, längst nicht mehr so vertraut, wie man glaubt. Anschließend schildert Bayard verschiedene Situationen, in denen wir über unbekannte Bücher sprechen (müssen), und empfiehlt Strategien, um damit umzugehen.

Wenn es nun scheint, als halte der Literaturprofessor Bayard das Lesen für überflüssig, so täuscht man sich, denn die ganze Sache hat einen Haken. Um wirklich fundiert über Bücher sprechen zu können, die man nicht gelesen hat, muss man sie zumindest einordnen können, in Genres, Epochen etc. Und dafür muss man eine Ahnung von Literatur, ihrer Funktionsweise und ihrer Geschichte haben – was schwerlich erreichbar ist, ohne Bücher zu lesen. Bayard plädiert also nicht fürs Nichtlesen, sondern nur dafür, kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man ein bestimmtes Buch nicht gelesen hat und sich trotzdem eine Meinung dazu erlaubt. Das führt zum Paradox, dass je mehr Bücher man gelesen hat, desto besser wird man darin, über jene Bücher zu sprechen, die man nicht gelesen hat. Insofern ist das ganze Buch eigentlich eine Hommage an die Literatur und entsprechend mit Zitaten und Anspielungen von verschiedensten Autoren gespickt. Dabei führt Bayard den Leser auch manches Mal gekonnt in die Irre, um zu verdeutlichen, wie trügerisch die Erinnerung sein kann.

Fazit: Ein wunderbares Buch für alle, die sich gerne mit Literatur beschäftigen, und nebenbei ein praktischer Ratgeber, um sich beim nächsten Smalltalk vor Besserwissern keine Blöße mehr zu geben.

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